Wann wurde mir eigentlich bewusst, dass ich nicht mehr die heisse Schnitte von vor 25 Jahren bin? Gerade eben fühlte ich mich noch sexy, begehrt, sinnlich und total aktiv. Und fast über Nacht fühle ich mich nur noch heiss. Aus der Mitte heraus, wie ein Mini Vulkan der kurz aber heftig ausbricht, um mich danach fröstelnd und mit gewelltem Nackenhaar zurückzulassen. Besten Dank auch! Beach Waves hätte ich gerne, aber bitte kontrolliert und absichtlich platziert.
Hilfe ich bekomme orange Haare!!
Und da wären wir schon beim Thema das eines Tages aufpoppte und mir klar machte, dass ich reif werde. Eines sonnigen, heissen Ferientages auf einer wunderbaren Insel, in einem tollen Strandbungalow und sogar mit dem richtigen Mann an der Seite, sprang es mir ins Gesicht. Ich bekam orange Haare!!
Ich bin von Natur aus blond, wann genau es in Strassenköter Blond übergegangen ist, kann ich nicht mehr sagen. Da waren meine einst hellblonden Engelslocken jedenfalls schon lange ausgewachsen (was so mit 2 Jahren geschah) und die Haarpracht wurde regelmässig mit Strähnchen gepimpt. Mir gefiel mein natürlich scheinendes Blond, bis zum besagten Tag.
Ich widerstand der Versuchung mir Zitronensaft aufs Haupt zu träufeln und es durch die Indische Sonne zu bleichen. Ich übte mich in Geduld und machte sofort einen Termin bei meiner Frisörin, die mich aufklärte. Es lag an den grauen Haaren (wer hätte das gedacht), die sträubten sich, die Farbe in derselben Art anzunehmen, wie die Haare die noch Pigmente besassen.
Ich hatte die Wahl 3 verschiedene Farben auf den Kopf zu klatschen und alle zwei Wochen verzweifelt den Ansatz nachzufärben oder einfach alles wild herauswachsen zu lassen und zwei Jahre nur noch mit Hut aus dem Haus zu gehen. Ich konnte auch ausschleichen, die Farbe langsam an den jetzigen Naturzustand anpassen. Nach zwei gescheiterten Versuchen, verzweifelt an dem Jugendblond festzuhalten, musste ich feststellen, dass es auch so aussah, verzweifelt. Böse gesagt war es ein Altweiberblond, genau was ich nie wollte.
Ich habe mich entschlossen meinen Haaren bis zu einem gewissen Punkt ihren Willen zu lassen, ich passe an und finde es im Moment auch ganz toll. Irgendwie hat sich ja auch meine Gesichtsfarbe und Ausdruck geändert und das Kühle steht mir plötzlich viel besser. Wohin das führt? Keine Ahnung, ich bin aber wild entschlossen, keine von diesen verzweifelten Blondinen zu werden.
Das also war quasi die Initialzündung, der Auftakt in die Wechseljahre. Meine Tage hatte ich zwar schon seit über 3 Jahren nicht mehr, ich war also definitiv soweit. Gespürt habe ich aber so gut wie nichts, ich glaubte schon eine von den ganz glücklichen zu sein, die wie auf Federn durch die Menopause schwebte. Ein paar Wochen später begann ich auszuflippen.
wenn du mit dem Multifunktions Shirt ins Bett gehst
Es passierte immer öfter, dass ich wie immer in Sekundenschnelle einschlief, nur um 30 Minuten später mit Herzrasen und klitschnass wieder aufwachte. Wieder einzuschlafen gelang mir immer weniger und jeder der schon unter Schlafstörungen gelitten hat, weiss wie schnell der Körper und vor allem die Psyche schlapp macht. Ich schlief mit dem Multifunktions Shirt, ihr wisst schon, das was man im Sport trägt und in Windeseile wieder trocknet! Sehr sexy. Ich war nur froh, keine Teenager Kinder mehr zu haben, die in derselben Scheiss Stimmung am Frühstückstisch hocken, nur mit dem Unterschied nicht zu schwitzen.
Es sollte aber noch heftiger kommen. Ich begann zu zittern, meine Beine knickten beim Treppenlaufen ein und mein Ruhepuls war konstant auf 120, Tag und Nacht. Ich versuchte im sitzen zu schlafen, damit ich den schlagenden, harten Puls nicht fühlen musste. Mir wurde ständig schwindelig, ich war immer kurz vor dem umkippen. Treppensteigen konnte ich nur noch mit Pausen weil ich derart Atemprobleme hatte und ich nahm innert kürzester Zeit 5 kg ab. Ich war beim Arzt, in der Klinik, trug ein 7 Tage EKG, war wieder beim Arzt und keiner fand etwas heraus. Ich glaubte an MS, einen Nervenzusammenbruch oder an Krebs und war am durchdrehen.
Konnten die Wechseljahre tatsächlich derart gemein sein oder hatte ich es wirklich übertrieben?
Ich hatte mir unglaublich viel vorgenommen in dem Jahr, hauptsächlich beruflich. Alle Projekte haben mir total viel Spass gemacht, nichts war ein Muss, alles kam von mir selbst. Ich habe mich überschätzt, gnadenlos, sah mich noch immer als die aktive Junge mit endlos viel Energie. Es ist wohl eher endlose Fantasie, die Energie zur Durchführung von mehreren Projekten gleichzeitig hatte ich schon lange nicht mehr. Ich hatte mich gnadenlos überschätzt, mir viel zu wenig Zeit genommen den Tod meiner Mutter, ein Jahr zuvor, zu verarbeiten. Die Arbeit hat mich abgelenkt und mein Körper hatte keine andere Wahl als drastisch die Handbremse zu ziehen.
der Motor ist durchgebrannt
Die Diagnose stellte eine engagierte Assistenzärztin die ich eines Tages anschimpfte, weil ich mich nicht ernst genommen fühlte. Ich bin ihr noch immer dankbar dafür. Morbus Basedow, die Autoimmunerkrankung der Schilddrüsenüberfunktion ist die Diagnose. Die chinesische Medizin sagt dazu: „der Motor ist durchgebrannt“. Passt perfekt in Hinsicht auf mein Leben, speziell die letzten Jahre. Deutlicher hätte die Message nicht überbracht werden können.
Ich bin froh ist es „nur“ diese Autoimmunerkrankung, ich bin dankbar ist es nicht MS oder Krebs, ich bin dankbar noch eine Chance zu bekommen mit meinem Körper zusammen zu arbeiten, es gut mit ihm zu meinen und ihn nicht länger zu unterdrücken indem ich einfach nicht hinhöre. Denn er hat sich schon lange vorher gemeldet, immer wieder. Heute bin ich auf bestem Wege bald ohne Medikamente zu sein, ich habe vor allem meine Ernährung geändert und meine Tage anders strukturiert.
Verdrängen ist wie mit dem Schneepflug durchs Leben gehen
Ich arbeite an mir, um die Dinge die mich soweit kommen liessen, aufzuarbeiten und endlich hinzusehen. Wir alle haben unsere Verletzungen und heute weiss ich, es holt uns alles irgendwann ein, wir können nicht davonlaufen und verdrängen wäre so, wie mit dem Schneepflug durch die Strasse fahren und alles vor sich aufzutürmen. Irgendwann ist die Strasse verstopft und darüber steigen geht auch nicht mehr. Das denke ich, ist mit ein Grund wenn jemand nicht „leicht“ sterben kann, wenn er nicht loslassen kann, weil noch soviel zu sagen und zu klären wäre.
von der Raupe zum Schmetterling
Wenn ich jetzt auf die letzten drei Jahre zurückblicke, fühlt es sich wie die Verpuppung zur Raupe an. Zu Beginn bleibt die Raupe still in ihrem Cocon und lässt geschehen was geschehen muss, sie vertraut vollständig auf das Leben. Im Cocon ist es sicher und zugleich ist er zart und verletzlich, ein Vogel könnte ihn jederzeit zerstören. Wenn die Zeit reif ist, beginnt der langsame Vorgang, aus dem Cocon, der schützenden Hülle, wieder auszubrechen und als Schmetterling ein neues Leben zu beginnen.
Was für eine schöne Vorstellung, von der langsamen und ziemlich beschränkten Welt der Raupe, in einen wunderschönen, freien Schmetterling der von Blüte zu Blüte fliegt. Diesen Vorgang erleben wir mehrfach in unserem Leben, bei der Geburt, beim Eintritt ins Erwachsenenleben, in der Lebensmitte und am Ende, dann werden wir uns zwar nicht mehr in diesem Leben aus dem Cocon zwängen, aber etwas neues geschieht mit Sicherheit. Vielleicht ist es die Verpuppung in der Lebensmitte die uns am stärksten bewusst ist, deshalb kann sie uns auch soviel Sorgen machen.
Stille ist ein grosses Thema, aushalten und durchgehen
Noch bin ich dabei den Cocon vollständig zu verlassen, aber ich fühle es bereits ganz nah und immer öfter ganz real. Es wendet sich etwas. Stille ist ein grosses Thema, ich und ich, aushalten, durchgehen und das immer wieder. Ich denke nicht, dass wir irgendwann alles erreicht haben und nur noch in Friede, Freude Eierkuchen leben, aber wir können daran arbeiten und jeden Tag ein wenig mehr davon in unser Leben holen. Im Leben geht es nicht um Leistung, um Schönheit oder um Macht und Position.
Vielmehr geht es darum zu schätzen was wir haben, dankbar zu sein, zu lieben, Freude zu haben, mitfühlend zu denken, für sich und seine Bedürfnisse einzustehen, sich selber zu respektieren und zu lieben. Rückblickend versuchte ich ständig, es allen anderen recht zu machen, aus dem einzigen Grund – geliebt zu werden. Dieses Gefühl von ernst genommen werden, gehört und gesehen werden, dass musste von anderen kommen. Aber wie soll das bitte gehen, wenn ich mich nicht traute den Mund aufzumachen und zu meiner Meinung zu stehen, selbst oder gerade, wenn es ungemütlich wurde?
“The universe is not outside of you.
Look inside yourself; everything that you want,
you already are.”
Rumi
plötzlich sehe ich mich wirklich als reife Frau mit Salt & Pepper farbigen Haaren, schön platzierten Falten und einer weisen, anziehenden Ausstrahlung
Mein Selbstbild hat sich dramatisch geändert. Ich gehöre jetzt auch zu diesen schönen, reifen und weisen Frauen. Meine Vorbild Frauen waren schon immer viel älter als ich. Ich wollte, wenn ich denn einst so alt werden würde, (was ja sowieso fraglich war), genau so eine coole Alte werden. Das hat sich nicht geändert, meine Vorbild Frauen sind noch immer um die 10 – 20 Jahre älter als ich, diese nach vorne Orientierung hat mich stets motiviert. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, mich mit jüngeren Frauen zu vergleichen oder gar zu konkurrieren und ich denke das hilft enorm um mit Grazie und gelassen zu altern.
Aber um ehrlich zu sein, ganz lange sah ich mich im Vergleich mit diesen Vorbildern als gaaaanz jungen Hüpfer, in meiner Vorstellung konnte ich mich nicht wirklich so sehen. Man bleibt ja immer jung im Kopf, aber durch diese Zwangs Verpuppung bin ich zu einem ganz neuen Bild von mir gekommen. Plötzlich sehe ich mich wirklich als die reife Frau mit Salt & Pepper farbigen Haaren, schön platzierten Falten und einer weisen, anziehenden Ausstrahlung.
Der Gedanke gefällt mir, das Bild gefällt mir, was nicht heisst, dass ich vor Freude aufschreie, wenn ich einen neue Falte entdecke oder die Altersflecken wie Pilze aus dem Boden schiessen. Ich trage auch immer noch meine zerrissenen Jeans und Lederjacken, wenn ich Lust dazu habe und das tue ich solange ich mich wohl darin fühle und es mit Stil trage. Nicht als Revolution, einfach weil ich es an mir mag, genauso wie ich auch ein schönes Kleid oder einen Anzug zu gegebenem Anlass mag. Weil ich mich nicht in eine Schublade stecken lasse oder Regeln fügen will, die eine Gesellschaft aufgestellt hat, die nie kränker war.
Ich kann meinen Töchtern vorleben, dass es nie zu spät ist etwas ganz neues zu beginnen
Es liegt in unseren Händen Vorbilder für unsere Töchter, Enkeltöchter und all die jungen Frauen da draussen zu sein. Ich kann meinen Töchtern vorleben wie lebenswert das Leben bis zum Ende ist. Ich kann zeigen, dass es nie zu spät ist noch einmal etwas ganz neues zu beginnen, mit dem Rucksack durch Asien zu reisen, ein Buch zu schreiben, aus einer unglücklichen Beziehung auszusteigen, gesund zu essen, mit Krankheit und Niederlagen umzugehen, Nein zu sagen, zu tanzen und zu laut zu lachen.
Von mir können sie lernen, dass traurige Zeiten zum Leben gehören. Sie kommen und gehen, wir können nicht alles steuern, was das Leben uns so hinwirft, aber wie wir damit umgehen, das liegt in unseren Händen.
“You were born with wings,
why prefer to crawl through life?”
Rumi
Wogegen man sich sträubt, das bleibt
Wer weiss, wie lange ich ohne all die Turbulenzen gebraucht hätte an diesen Punkt zu kommen. Vielleicht wäre ich auch auf den Zug von vielen in meiner Umgebung aufgestiegen und hätte begonnen mit Botox & Co zu experimentieren. Ich bin jedoch ziemlich sicher, dass damit nur der Prozess in die Länge gezogen wird. Wogegen man sich sträubt, das bleibt. Ich habe aber nichts dagegen, jede Frau muss das für sich selber entscheiden und wie gesagt, habe auch ich damit geliebäugelt. Die Krankheit hat mir aber die Entscheidung abgenommen, nichts was mein Immunsystem irritiert geht mehr und ehrlich, ich fühl mich erleichtert, weil ich gar nicht mehr darüber nachdenken muss.
„Es geht mir gut, mein Leben wird immer einfacher,
weil ich immer mehr ich bin.“
Sonja
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